Anfang und Ende.
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Kleine musikalische Erörterung zur Vorwagnerszeit.
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„I st doch diese Zauberflöte
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Ganz veraltete Musik!
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So ein göttlicher Prophete
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Bricht ihr freilich das Genick.
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Bester Doktor, wen ich noch so,
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Noch so sehr es überleg’,
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Ist es gleichwohl aber doch so –
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Die Musik müßt’ mir hinweg!“
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Wenn Sie wollen, ganz der Meinung,
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Lieber Herr Kommerzienrat,
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Insoferne die Erscheinung
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Klassischen Charakter hat.
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Klassisch nur ist, was parnassisch
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Ist es klassisch, so entspricht’s,
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Denn das Klassische ist klassisch
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und das übrige ist nichts.
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„Muß ich ganz natürlich finden
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bester Doktor, ganz charmant,
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Gleichwohl, aber wie begründen
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Sie die Ansicht nachderhand?
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Sehn Sie diesen Papageno
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Oder den Sarastro an,
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Ob das Publikum in pleno
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Noch das Lachen halten kann!“
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Hören Sie um Gottes willen!
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Liebster Herr Kommerzienrat!
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Weinen muß ich hier im stillen,
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Daß man lachet, in der That.
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Lachen kann man über alles,
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Aber so ein Lachen ist
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Nur ein Zeichen des Verfalles,
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Das der Kunst am Herzen frißt.
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„Bitte, bitte, bester Doktor!
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Haben Sie denn, wie das scheint,
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Ein so ganz und gar verstockt Ohr,
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Daß Sie selbst dem Zopfe freund?
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Nein, ich lobe den Propheten,
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Hier ist klassische Musik,
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Nämlich die ist nicht für jeden
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Und für jedermanns Kritik.“
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Liebenswürdig sind Sie immer,
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Teuerster Kommerzienrat,
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Um so schlimmer, um so schlimmer,
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Wenn man sich zu zanken hat!
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Nein! gerad im Gegenteile,
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Die Musik sei nicht verlacht,
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Welche niemand Langeweile,
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Jedermann Vergnügen macht.
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„Daß der Himmel uns bewahrte!
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Hören Sie ein Meisterstück:
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Hier das Kühne, dort das Zarte,
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Und da haben sie Musik.
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Kühn und zart ist auch der Mozart,
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Ja, gottlobunddank auch er,
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Gleichwohl aber doch nicht so zart
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Und so kühn wie Meyerbeer.“
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Um Vergebung, das ist eben,
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Wie man’s nimmt, so oder so;
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Und dem einen ist voll Leben,
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Was dem andern leeres Stroh,
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Und damit ich Ihnen offen
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Meine Meinung sag’ ins Ohr,
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Kommt mir Meyerbeer besoffen,
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Wenn nicht ganz talentlos vor.
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„Nein! das ist ja unerhört ja!
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Haben Sie den Sonnenstich?
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So was macht mich ganz verstört ja,
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Bringt mich förmlich außer mich.
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Ha! Was soll das Federlesen
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Mit dem Mozart, das Geschrei –
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Ein Pedant ist er gewesen,
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Und ein Kindskopf nebenbei!“
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Dieser ganz belieb’ge Sudler
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Meyerbeer – „Ist ein Genie!
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Mozart, der triviale Dudler?“ –
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Voll Humor und Harmonie.
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Meyerbeer, ein Schurke ist er!
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„Mozart ist ein Lumpenhund!“
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O Sie schändlicher Philister! –
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„O Sie elender – Vagabund!“
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Ludwig Eichrodt
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